1/2010: Bäkecourier

Die bunten Bauchbinden um die alten Buchen und Eichen unterhalb der Hakeburg wirken fast heiter, doch sie signalisieren eine Bedrohung: die über Hundertjährigen sollen gefällt werden. Gut möglich, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um den Blick auf diese einzigartige Landschaft am Ufer des Teltowkanals genießen zu können. „Was da zerstört würde, wollen wir deutlich aufzeigen", sagte Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneter Axel Mueller (Grüne) vor Beginn der Protestwanderung, die am Neujahrsmorgen von der Schleusenbrücke rund um den Machnower See führte. Rund 30 Teilnehmer waren der Einladung des Aktionsbündnisses gegen den Havelausbau gefolgt, trotz Minustemperaturen und Silvesterfeier in der vorhergehenden Nacht. Schon während der Adventszeit trotzten viele Bürger der Kälte und zeigten bei den Schleusendemos ihren Protest gegen den geplanten Ausbau der Schleuse auf 190 Meter.

Foto: K. Graulich

Über hundertjährige Bäume sollen der 190-Meter-Schleuse geopfert werden.

Der Schneefall der letzten Tage und Nächte hatte die Landschaft mit einem festlichen weißen Laken überzogen, das die farbigen Gebinde um die dicken Stämme zum Leuchten brachte. Auch von der Allee am Forsthaus waren sie zu sehen. „Dort drüben müssen Sie sich jetzt eine hohe Wand aus Stahlspunden vorstellen", wies Gerhard Casperson auf das gegenüberliegende Ufer, aus dessen Baumwipfeln der Turm der Hakeburg herauslugte. Seit über 15 Jahren ist Casperson der „Nestor" der Protestbewegung, die sich hartnäckig gegen den geplanten Ausbau engagiert. Unter den Protestwanderern fand sich keiner, der einer 12 Meter hohen Spundwand etwas abgewinnen konnte. „Größenwahnsinn", nennt daher nicht nur Casperson das 40 Millionen Euro teure Ausbauprojekt des Bundes. Alle Hoffnungen setzen die Ausbau-Gegner derzeit auf die Landesregierung und darauf, dass Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sich an sein Versprechen aus dem Jahr 2004 erinnert. Seinerzeit, es war Wahlzeit, hatte er sich für eine reduzierte Variante von 115 Metern ausgesprochen. Das wäre zwar ein Kompromiss, aber einer, dem auch die Ausbau-Gegner zustimmen würden. Ein Veto der Landesregierung gegen die 190-Meter-Variante könnte Uferlandschaft und Baumriesen retten, denn gegen den Willen Brandenburgs baut der Bund nicht, hoffen die Ausbau-Gegner.
Einige Neujahrswanderer befürchteten jedoch, dass der Landesregierung die Investsumme von 40 Millionen Euro wichtiger sei als der Protest vor Ort. „Da wird nichts mehr bewegt, das Problem wird in den Ausschüssen ausgesessen", war da am Neujahrstag auch zu hören.
Von alledem ahnten wohl Enten und Bläßhühner nichts, die gelassen auf den Ästen am Uferrand ausruhten. Schnee schnurbste unter den Schuhen der Wanderer, die ab und zu stehen blieben, um sich an der Winterlandschaft zu ergötzen. Den Laternen hatte der Schnee Mützen aufgetupft und die Bäume sahen aus wie mit Zuckerwatte garniert. Vor einigen Wochen hätten sie hier einen Eisvogel gesichtet, erzählte ein Ehepaar. Der blaue Vogel gräbt Bruthöhlen in senkrechte Uferabbrüche.
„Die Poller-Dalmen da drüben am Kanalufer braucht man nur auf die andere Seite des Teltowkanals versetzen, dann kann man sich das Abbaggern des Ufers ersparen", meinte Axel Mueller. Besser wäre es, den Uferweg am Forsthaus instand zu setzen. Den hätten Schwerlastzüge des Wasserstraßen-Neubauamtes (WNA) so kaputt gefahren, dass das Gelände regelrecht abgesackt sei. Der Eigentümer, sagte Mueller, habe sich bislang schwer getan, den Schaden zu beheben. „Doch wenn Schleuse und Kanal auf Vordermann gebracht werden sollen, pochen wir darauf, dass auch diese Dinge angepackt werden", stellte er klar. Auch eine Fischtreppe steht auf seinem Forderungskatalog, damit Fische oberhalb der Schleuse wieder einschwimmen können. Das sei ein legitimer Anspruch, gemäß der EU-Richtlinien, nach denen ein guter ökologische Zustand der Gewässer herzustellen sei, ergänzte die Kleinmachnower Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm (Grüne), die auch an der Wanderung teilnahm.
Doch unter Ökologie scheinen die Befürworter des 190-Meter-Projektes anderes zu verstehen. Aus ihrer Sicht wären für eine 190-Meter lange Schleusenkammer weniger Eingriffe in die Natur notwendig als bei einer 115-Meter-Variante, da man auf Koppelstellen an den Ufern verzichten könnte, argumentieren sie neuerdings. „Es wird ein Argument nach dem anderen erfunden, um den überdimensionierten Ausbau zu rechtfertigen", klagte Cornelia Behm. Jedes Argument ließe sich jedoch widerlegen, so wie das von der Steigerung der Binnenschifftransporte, derentwegen vorhandene Engstellen und Nadelöhre beseitigt werden müssten. Die Kleinmachnower Schleuse ist aus Sicht der Befürworter ein solches Nadelöhr, das künftiges Wirtschaftswachstum hemmen könnte. Doch die anvisierten Großmotorschiffe werden den Teltowkanal gar nicht befahren, sagte Behm, da Berlin bereits die Pläne für die Südtrasse abgespeckt habe, so dass mittelfristig nur 85 Meter lange Europaschiffe dort verkehren können. Nach einer Studie der Universität Hamburg-Harburg haben sich zudem die transportierten Gütermengen zwischen 1997 und 2006 um 53 Prozent auf 3,6 Millionen Tonnen verringert. Einen Schildbürgerstreich, nennt Behm daher das Projekt, mit dem Steuergelder verschwendet würden. „Nur eine politische Entscheidung kann den geplanten Ausbau noch stoppen", hofft die Politikerin, die bereits auf Bundesebene gemeinsam mit der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) bei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) protestierte. Beide haben den Minister eingeladen, die Schleuse zu besuchen, um ihn davon zu überzeugen, dass er richtig Geld sparen kann", wenn auf den überdimensionierten Ausbau verzichtet wird.
Ob Ramsauer kommt, bleibt abzuwarten. Die Protestwanderer wärmten sich nach ihrem Rundgang erst einmal mit Glühwein auf. Den meisten ist klar, dass sie einen langen Atem brauchen werden, um sich Gehör zu verschaffen.
Derweil liegen die Pläne für den Ausbau einer 115 Meter-Schleusenkammer bereits in den Schubfächern des WNA. Doch von der Behörde sei nicht zu erwarten, dass jemand dieses Papier auf den Tisch lege, sagte Casperson. Angesichts der merkwürdigen Relationen, nach denen fünf Beamte auf einen Binnenschiffer kämen, halte man sich in der Behörde lieber am eigenen Stuhle fest, so Casperson.

Kirsten Graulich







20.01.2010: MAZ
14.01.2010: MAZ